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Forstliches Fachwissen Schweiz

Im Rahmen der Initiative "Wissenstransfer Wald Schweiz" fördern Praxis, Verwaltung, Forschung, Ingenieurbüros und Verbände den Austausch von Fach- und Erfahrungswissen. Die in diesem Artikel zusammengefassten und in 8 Rubriken strukturierten Beiträge sind auch separat über die links stehende Navigation, die Themen- und Startseiten oder das rechts stehende Suchfenster zu finden.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Netzwerk "Wissenstransfer Wald Schweiz" ermuntern Autorinnen und Autoren, der WSL-Waldwissen-Redaktion neue praxisbezogene Beiträge vorzuschlagen. Die Fachzeitschriften Wald und Holz, La Forêt, Zürcher Wald, Bündnerwald und weitere Fachzeitschriften aus Naturschutz und Holzbranche stellen dem vom BAFU geförderten Projekt Artikel zur Verfügung.

Der entscheidende Faktor für die Reaktion von Tannensämlingen auf den Verbiss ist die Verbissstärke. Vier Beispiele:

Wird eine junge Tanne stark am Endtrieb, nicht aber an den obersten Seitentrieben verbissen (wie meist in Triebschnittexperimenten), dann können kräftige Bäumchen z.T. mit dem Aufrichten von Ästen reagieren (Abb. 9A). Damit machen sie den verbissbedingten Höhenverlust wett und wachsen gleich gut oder sogar noch besser weiter als unverbissene Bäume.

Falls eine junge Tanne nur leicht am Endtrieb verbissen wird (typisch für Rehverbiss an den untersuchten Standorten), dann reagieren die Bäumchen normalerweise aus vorhandenen Knospen am Reststück des Endtriebes, die ohne Verbiss zu Kurztrieben oder zu schlafenden Knospen geworden wären (Abb. 9B). Derart verbissene Bäumchen wachsen in der Regel rasch wieder gleich gut wie unverbissene, d.h., sie bleiben nur unwesentlich im Wachstum zurück. Auf diese Weise kann eine Tanne mehrere Male (vgl. 5x Endtriebschaden in Abb. 4) und im Extremfall sogar über Jahrzehnte verbissen werden, ohne einzugehen.

Wird hingegen der grösste Teil des Endtriebzuwachses sowie der Seitentriebe verbissen (z.B. Gamswildverbiss an den gepflanzten Tannen oberhalb Schwanden), dann bilden die Tannen typischerweise im ersten Jahr nach dem Verbiss im obersten noch vorhandenen Astquirl eine neue Knospe und verlängern diese danach je nach vorhandenen Reserven zu einem in der Regel nur wenige Zentimeter langen neuen Endtrieb (Abb. 9C). Zum Teil dauert dieser Prozess der Knospenbildung mehrere Jahre, sodass die Tanne zeitlich stark verzögert reagiert und viel Höhenwachstum einbüsst. Solche verzögerten Reaktionen beobachteten wir in unseren Untersuchungen häufig. Insbesondere trat verzögerte Reaktion bei kleinen Bäumchen auf, oder bei solchen in sehr dunklen Beständen. Auch nach Beschädigung der obersten Knospen durch Insekten oder Frost und nach starkem Verbiss oder nach Fegen/Schlagen durch Rothirsch und Rehböcke reagierten die Tannen verzögert.

Wenn der Verbiss so stark ist, dass fast keine grünen Nadeln mehr zurückbleiben, sterben junge Tannen verbissbedingt ab, weil sie ihre Reserven überwiegend in den grünen Nadeln speichern (Abb. 9D). Totverbiss trat bereits nach einmaligem starkem Verbiss bei 3 bis 20% der Tannensämlinge auf. Über Jahre wiederholter starker Verbiss kann deshalb zum Totalausfall der Tanne führen.

Ist der Höhenzuwachs gross, besitzen die Reststücke der angefressenen Triebe mehr Knospen für eine effiziente Reaktion in der ersten Vegetationsperiode nach Verbiss als bei schlecht wachsenden, unterdrückten oder kleinen Tannen. Das Aufrichten von Trieben wurde in unseren Untersuchungen entlang natürlicher Lichtgradienten von der Schirmstellung bis zur Lücke überall beobachtet. Es war aber selten und trat meist bei Bäumchen auf, deren Seitentriebe nicht fast horizontal wuchsen. Damit sind Tannenprovenienzen mit guten Höhenzuwächsen, vielen Knospen und eher steil aufwärts wachsenden Seitentrieben an Standorten mit viel Verbiss besser geeignet als eher horizontal wachsende Tannen, die wenig Knospen bilden.